Archiv für den Monat: Juli 2018

Alles auf Anfang: Sachgrundlose Befristung und Zuvor-Arbeitsverhältnis

Hinweis: Die nachfolgende Darstellung kann die im Einzelfall gebotene Rechtsberatung nicht ersetzen. Rechtsrat erteile ich – wie alle anderen Anwälte auch – auf Grundlage vollständiger Informationen gerne persönlich im Rahmen eines Mandats.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat sich am 06.06.2018 (1 BvR 1375/14) mit deutlichen Worten gegen die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 30.04.2014 (7 AZN 119/14) gestellt.

Hintergrund: Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes ist die Befristung eines Arbeitsverhältnisses ohne Sachgrund unzulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Das BAG legte § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG – nach seiner Auffassung verfassungskonform – dahin aus, dass dieselben Arbeitsvertragsparteien nach einer Unterbrechung von drei Jahren erneut einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertag schließen dürfen.

Das BVerfG arbeitete nachvollziehbar heraus, die Gesetzesmaterialien und die Entstehungsgeschichte der Vorschrift zeigten deutlich auf, welche gesetzgeberische Konzeption der Norm zugrunde zu legen seien. Insbesondere waren im Gesetzgebungsverfahren Anträge erfolglos geblieben, sachgrundlose Befristungen nach Verstreichen einer Karenzzeit, z. B. von zwei Jahren, wieder zu ermöglichen. Vor diesem Hintergrund habe das BAG die Grenzen vertretbarer Auslegung durch Einführung einer Karenzzeit von drei Jahren überschritten, weil der Gesetzgeber eine solche Karenzzeit klar erkennbar nicht wollte. Das BAG habe unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers eingegriffen: Richterliche Rechtsfortbildung dürfe nicht dazu führen, dass die Gerichte ihre eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzen.

Ausblick: Das BVerfG hält es in Einzelfällen trotzdem für geboten, das Befristungshindernis des Zuvor-Arbeitsverhältnisses bei der sachgrundlosen Befristung abzumildern und stellt dabei auf Zumutbarkeitserwägungen ab:

„Das sich sonst in der Auslegung des Arbeitsgerichts aus § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG
ergebende Verbot der sachgrundlosen Befristung des Arbeitsvertrages kann insbe-
sondere unzumutbar sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, ganz
anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist. So liegt es etwa bei ge-
ringfügigen Nebenbeschäftigungen während der Schul- und Studien- oder Familien-
zeit (vgl. Bauer, in: NZA 2011, S. 241 <243>; Löwisch, in: BB 2001, S. 254; Rudolf,
in: BB 2011, S. 2808 <2810>), bei Werkstudierenden und studentischen Mitarbeite-
rinnen und Mitarbeitern im Rahmen ihrer Berufsqualifizierung (vgl. dazu BAG, Urteil
vom 6. April 2011 – 7 AZR 716/09 -, BAGE 137, 275 Rn. 2) oder bei einer erzwunge-
nen oder freiwilligen Unterbrechung der Erwerbsbiographie, die mit einer beruflichen
Neuorientierung oder einer Aus- und Weiterbildung einhergeht (vgl. Preis, in: Stau-
dinger, BGB, Neubearbeitung 2016, § 620 BGB Rn. 182; ähnlich Löwisch, in: BB
2001, S. 254 f.). Die Fachgerichte können und müssen in derartigen Fällen durch ver-
fassungskonforme Auslegung den Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzB-
fG einschränken.“ (Tz. 63 im Beschluss des BVerfG)

Es bleibt abzuwarten, wie die „Fachgerichte“ damit umgehen. Im Grundsatz ist es aber so, dass die Drei-Jahres-Rechtsprechung des BAG vom Tisch ist.

 

Warum Selbstdatenschutz wichtig ist

In Frankfurt gibt es einen „dicken“ Internet-Knoten namens DE-CIX. Betrieben wird er von einer GmbH, das Verkehrsaufkommen in Spitzenzeiten beläuft sich dort auf ca. 6 TBit – pro Sekunde. Das bedeutet zu Veranschaulichungszwecken, dass in jeder Sekunde ein Datenträger mit einer stattlichen Größe von 750 Gigabyte durch den Knoten gereicht wird. Wenn man einmal annimmt, dass eine E-Mail mit ein bischen PDF-Anhang 40 KB umfasst, reden wir von rund 787 Millionen E-Mails, die jede Sekunde durch den Knoten fließen. Einzelheiten finden sich hier: https://de.wikipedia.org/wiki/DE-CIX

Das ist ein gigantisches Datenaufkommen. Und deswegen attraktiv für die Dienste. Denn es muss nur an zentraler Stelle der „Datensaugrüssel“ angebracht werden und schon ist man im Bilde. Dank der schönen Big-Data-Analysetools.

Eine abstrakte Gefahr?

Nein, wenn sich man aus Anlass der Pressemitteilung Nr. 38/2018 des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.05.2018 ein wenig mit der Thematik befasst. Nach den gesetzlichen Bestimmungen darf der Bundesnachrichtendienst auf Anordnung des Bundesinnenministeriums gebündelte Datenübertragungen überwachen und aufzeichnen. Hiergegen wehrte sich der Betreiber des Knotenpunkts ohne Erfolg. Dabei kommt der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts a. D., Prof. Hans-Jürgen Papier, zu dem Ergebnis, dass Zugriffe des Bundesnachrichtendienstes auf einen Datenaustauschpunkt wie den DE-CIX insgesamt rechtswidrig sind. Zudem könne bei einer „Ausleitung“ an einem Datenaustauschpunkt wie dem des DE-CIX sowohl in rechtlicher wie auch in tatsächlicher Hinsicht nicht sichergestellt werden, dass die einfach-gesetzlichen Eingriffsvoraussetzungen gewahrt werden (http://rsw.beck.de/rsw/upload/NVwZ/NVwZ-Extra_2016_15.pdf, S. 15). Letzteres betrifft beispielsweise das Problem, dass nach § 5 des G10-Gesetzes nur internationale Telekommunikationsbeziehungen der Überwachung unterliegen sollen. Man muss dem BND also vertrauen, dass Filter zur Anwendung kommen, die nationale Telekommunikationsbeziehungen aus der Überwachung herausnehmen. Ich persönlich habe da meine Zweifel. Der Betreiber strebt eine Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht an, https://www.heise.de/newsticker/meldung/BND-Ueberwachung-De-CIX-Betreiber-will-vors-Bundesverfassungsgericht-4062601.html.

Da es sich eben nicht um eine abstrakte Gefahr handelt, muss also der Selbstdatenschutz weiter in den Focus rücken: https://emailselfdefense.fsf.org/de/Mandanteninformation zum Thema